MONE SCHLIEPHACK

 

SHRINKING BODIES

 

04|03|2022    10|04|2022



Bei der Erfahrung des Digitalen überlagern sich analoge und multiple, virtuelle Realitäten, in denen sich der Körper nur schwer oder gar nicht verorten kann. Die zeichnerischen Arbeiten von Mone Schliephack lassen sich als Untersuchungen von Körperwahrnehmungen in digitalen und physischen Räumen verstehen. Dabei geht es der Künstlerin darum, die Idee, dass der Körper sich in einer einzigen Wirklichkeit befinden würde, als überholt zu überführen und sich gleichzeitig der Frage zu stellen, ob Körper in der zunehmend digitalen Zukunft schrumpfen werden.

Mone Schliephack studierte an der Folkwang Universität der Künste in Essen und an der Hochschule für Gestaltung in Basel. Seit 2014 ist sie Professorin für Zeichnung und Illustration am Fachbereich Design der Hochschule Düsseldorf, Peter Behrens School of Arts.


Detail: Mone Schliephack. Outside in - insight out. Ink and digital drawing.
Detail: Mone Schliephack. Outside in - insight out. Ink and digital drawing.

 "Technology is not neutral.

We’re inside of what we make,

and it’s inside of us.

We’re living in a world of connections -

and it matters which ones get made

and unmade.”

 

Vor über zwanzig Jahren verfasste Donna Haraway A Cyborg Manifesto. Nicht nur für die Erfahrung von Technologie und des Digitalen hält sie fest, dass wir in einer Welt von Verbindungen leben. Und dass es von Bedeutung ist, welche Verbindungen hergestellt und welche wieder rückgängig gemacht werden. Denn Technologie ist nicht neutral.

Die Arbeiten von Mone Schliephack operieren in einem Spannungsfeld, in dem sich die Erfahrung des Digitalen mit analogen und multiplen, virtuellen Realitäten überlagert. In diesen Räumen sind Körper zwar präsent, aber sie können sich darin nur schwer oder gar nicht verorten. Für die Poster und Einladungskarten wurde die Arbeit „Floating in the binary space“ gewählt, auf die ich nun näher eingehen werde.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass scheinbar amorphe Körperstrukturen in einem perspektivisch angelegten Raum schweben. Mone Schliephack greift in ihren Raumdarstellungen auf Grundelemente der technischen Zeichnung zurück: auf die Quadrierung zur Einteilung des Raumes und auf zentralperspektivische Strukturen. Sie dekonstruiert klassische Elemente, um postmoderne, heterogene Räume abzubilden, die die leibliche Erfahrung der Körper widerspiegeln. Denn die räumlichen Perspektiven sind in sich gebrochen, oder nur partiell der Quadrierung untergeordnet. Die Linien und Strukturen überlagern sich, durchbrechen die Logik des Raumes, den die Zeichnung suggeriert. Sie erschafft binäre Räume, eins oder null, schwarz oder weiß, sichtbar oder unsichtbar.

Erinnern wir uns an frühe Computergrafiken, vielleicht an den Vorspann des Films „Das schwarze Loch“ von Gary Nelson aus dem Jahr 1979, worin eine schwebende Gitterstruktur den Weltraum darzustellen versucht, die Krümmung der Raumzeit, um etwas bis dahin Unsichtbares sichtbar zu machen.

Auch Mone Schliephack macht etwas Unsichtbares sichtbar. Um den digitalen Raum darzustellen, der mit der Wahrnehmung der analogen aber multiplen, weil individuell empfundenen Realität amalgamiert, benötigt sie lediglich Kugelschreiber und in anderen Werken zusätzlich Tusche auf Papier. Sie setzt damit den digitalen und virtuellen Parametern des Sehens eine sehr reduzierte Materialität in ihren Bildwelten entgegen. Aber gerade dadurch erschafft sie eine ganz eigene Sichtweise auf das Spannungsfeld zwischen Körpern und Räumen. Die Körper sind als solche kaum zu erkennen. Aber sie sind nicht völlig formlos oder verfremdet, sondern durch die Schraffur mit dem Kugelschreiber in mehrere Flächen aufgespalten. Die Schraffuren folgen dabei unterschiedlichen Positionen, treffen sich an bestimmten Punkten, prallen voneinander ab und setzen sich in anderer Richtung fort. Runde, körperliche Formen treffen dabei auf die Quadrierung.

Aber nicht nur Körper stellt Schliephack auf diese Weise dar, sondern auch weitere Räume im Raum und architektonische Strukturen, die den Blick frei geben auf Löcher in der binären Struktur. Löcher können nicht an sich existieren, denn sie verhalten sich wie Parasiten auf einem Wirt, den sie befallen und der ihnen zu ihrer Sichtbarkeit oder einer sie umschließenden Materialität verhilft. Im binären Raum stellt das Loch eine Störung dar, oder eine Erweiterung des Raumes, das Aufbrechen der Binarität, hin zu jener räumlichen Pluralität, die Schliephack untersucht.

In ihrer Arbeit „The amorphous is disappearing in digital age" sehen wir, wie sich die Räume scheinbar ohne Zusammenhänge überlagern. Die Künstlerin arbeitet hier mit Tusche, um die Körper darzustellen. Aber was ist das Amorphe, das hier im Begriff ist, zu verschwinden? Die Körperstrukturen wirken eingezwängt in den mehrdimensionalen Raum. Die Konturen verschwimmen, sie fransen aus, denn die Tusche wird aufgesogen vom Papier und die Körperstrukturen zerfasern. Genau dieser Frage: "Was passiert mit dem Körper in einer zunehmend digitalen Zukunft?", geht Mone Schliephack in ihren Arbeiten nach. Sie zeigt darin auf, dass Technologie im Sinne Donna Haraways nicht neutral ist, mehr noch, Mone Schliephacks Kunst ist eine Verbindung zwischen dem Inneren, was wir erschaffen haben, und dem Inneren des Menschen.

In phänomenologischer Tradition gibt es hier einen Unterschied zwischen dem Körper und dem Leib. Der Körper wird zu einem Objekt im Raum. Aber die Empfindungen sind im Raum gespiegelt und verdeutlichen die Dissoziation des Individuums, das sich zwischen analogen und digitalen Räumen bewegen muss.Ich wünsche viel Vergnügen in der analogen Ausstellung „Shrinking Bodies“. Stellen Sie Verbindungen her.

Dr. des. Katrin Weleda


Mone Schliephack und das Kunsthaus BBK spenden alle Einnahmen der Ausstellung shrinking bodies an geflüchtete Menschen aus der Ukraine.